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Die Macht der Vorurteile: Warum wir sie haben, wie wir sie loswerden und was wir dadurch gewinnen

Die Welt urteilt nach dem Scheine. (Johann Wolfgang von Goethe)

Es war die perfekte Mittagspause. Vor mir stand ein dampfender Gemüseteller, über den ich gerade noch eine gute Hand voll Chiliflocken gestreut hatte. Im Ohr hörte ich einen Podcast von Curse zum Thema Inspiration und das Gehörte wirkte bereits so gut, dass ich direkt neue Ideen über diverse Texte in meine Inspirations-Wunderlist eintippte. Als ich da saß, zufrieden lächelnd wie ein Buddha, betrat eine Dame den Imbiss, in dem ich saß. Sie trug bunte Haremshosen, ihre Haare waren lang, grau und naturgelockt und sie trug goldene Armreifen. Ich war in so huldvoller Stimmung, dass ich mir glücklich dachte „Ah, eine aus der Yoga-Welt!“. Fast hätte ich ihr verschwörerisch zugezwinkert. Sie aber hatte ihre ganz eigene Meinung über mich gefasst. Während sie an mir vorbei lief, sah sie mir direkt in die Augen und deutete ein Kopfschütteln an, während sie sagte: „Sogar beim Essen das Handy ….?“. In ihrer Stimme schwang ein Hauch von „Da ist Hopfen und Malz verloren“ mit.

Fast wäre mir das Smartphone samt Curse in meinen Gemüseteller gefallen. Ich fühlte eine Mischung von Entsetzen und Wut in meinem Magen hochkochen und ich hatte den unbedingten Impuls, mich sofort zu rechtfertigen, nachdem ich mich erst mal ausgiebig aufgeregt hätte. Was dachte die sich? War ich in eine ihrer „die Jugend von heute“-Schubladen geraten? Dachte sie, wenn man ein Handy zur Hand nimmt, während man isst, ist man ein schlechterer Mensch, sieht das Wesentliche nicht, besitzt keinen Tiefgang im Leben?

Noch während ich darüber brütete, was sie nur über mich gedacht haben konnte, lief sie mit zwei Bier und zwei Dönern an mir vorbei und eröffnete mit ihrer Begleitung ihr nicht sehr yogisch aussehendes Mittagsmahl.

Friedrich Nietzsche sagte: „Jedes Wort ist ein Vorurteil“. Das klingt hart, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass das stimmt. Nicht nur die Frau im Imbiss hatte ein Vorurteil (oder mehrere) über mich gehabt. Ich hatte ebenfalls einige über sie. Auch wenn meine in dem Fall natürlich (!) eher wohlwollend gemeint waren. Aus meiner Sicht. Aber ist das überhaupt besser?

Vorurteile wohin man sieht

Unsere Welt ist voll mit Vorurteilen. Wenn man anfängt, darüber nachzudenken, scheinen sie wie Pilze aus dem Boden zu geschossen zu sein. Schlimmer noch. Es ist wie bei der Hydra, dem mythologischen Monster mit den vielen Köpfen: Hat man ein Vorurteil ausgemerzt, scheinen drei andere nachzuwachsen.

Männer fragen nicht nach dem Weg, Frauen parken schlecht ein. Blondinen sind dumm. Frauen gehören hinter den Herd. Jungs sind laut und wild, Mädchen spielen mit Puppen und mögen Rosa. Männer müssen sich durchsetzen und Indianer kennen keinen Schmerz. Wer sich schminkt, ist ne Tussi. Ausländer sind kriminell. Wer Kevin oder Chantal heißt, ist dumm. Jura-Studenten sind Snobs. Nerds sind dünn, blass und Jungfrau. Wer ein Kopftuch trägt, wird unterdrückt. Wer Yoga macht, ist ein Hippie. Hippies sind weltfremd und kiffen. Kiffer haben die Kontrolle verloren. Psychisch Kranke sind nicht normal und nicht belastbar. Veganer sind verblendete Möchtegern-Weltverbesserer. Fleischesser sind verblendete Ignoranten. Die Liste lässt sich bis ins Unendliche fortsetzen.

Dass es so viele Vorurteile gibt – die sich ja mitunter widersprechen – kommt nicht von ungefähr.

Was die Hirnforschung dazu zu sagen hat

Vorurteile machen aus Sicht unseres Hirns total viel Sinn. Sie helfen uns dabei, Energie zu sparen und stammen noch aus der Zeit, in der es für Menschen wichtig war, Zusammenhänge schnell erfassen und einordnen zu können. („Aha, ich sehe einen Säbelzahntiger, der gehört zu der Gruppe meiner Fressfeinde, also laufe ich besser ganz schnell weg.“) Vorurteile sind demnach sogenannte Übergeneralisierungen. Wir ordnen jemanden oder etwas blitzschnell übergeordneten, allgemeineren Kategorien zu. Die Vorurteile sind in einem aus Evolutionssicht „alten“ Teil des Gehirns abgespeichert, in dem Prozesse unbewusst ablaufen. Die zugehörigen „Berechnungen“, also, ob das abgerufene Vorurteil bedeutet, dass Gefahr droht oder ähnliches, werden von sogenannten Basalganglien und Mandelkernen ausgeführt. Die sitzen im präfrontalen Kortex, der sich direkt hinter der Stirn befindet und verhältnismäßig „jung“ ist. Es ist der Teil des Gehirns, der Dinge hinterfragen, anders interpretieren und aus verschiedenen Perspektiven beleuchten kann. Hier sitzt sozusagen die Vernunft.

Das ist allerdings eine gute Nachricht. Denn da sich die „Vorurteils-Berechnungen“ im vernünftigen Teil abspielen, heißt das, dass wir unsere Reaktionen auf die Vorurteile, die unwillkürlich in unserem Hirn „aufpoppen“ überdenken und ändern können. Das kostet Mühe, ist aber machbar – mit Vernunft.

Wo kommen Vorurteile überhaupt her?

Auch wenn die Vorurteile als eine Art „Denkschablone“ fest in unserem unbewussten Teil des Hirns verankert sind, heißt das nicht, dass sie schon von Geburt an dort gespeichert sind. Ganz im Gegenteil sogar: Sie sind erlernt. Nach aktuellem Stand der Forschung verfestigen sich Vorurteile als übergeordnete Kategorien in unserem Gedächtnis wenn wir zwischen 3 und 5 Jahren alt sind. Daher ist es kein Wunder, dass es in der Regel eine hohe Übereinstimmung zwischen den Vorurteilen der Eltern und denen ihrer Kinder gibt. Kinder lernen dann beispielsweise schon früh, dass Mädchen still und brav sind und gerne mit Puppen spielen und Jungs wild und laut. Oder dass Ausländer gefährlich, Politiker Arschlöcher, dicke Menschen faul und Homosexuelle nicht ’normal‘ sind. Oder, oder, oder.

Ein paar Studien

Aber natürlich werden Vorurteile nicht ausschließlich durch die Eltern gelernt. Kinder können bereits ziemlich gut Vorurteile erfassen, die in ihrer Umgebung aktiv sind, und nehmen die dann für sich ebenfalls an. In den 40er Jahren gab es dazu bereits eine ziemlich bedrückende Untersuchung.

Damals testeten die US-Psychologen Kenneth und Mamie Clark, ab welchem Alter Kinder Hautfarben bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Dabei forderte ein Interviewer Kinder im Vorschulalter auf, zu unterscheiden, welche die schwarze und welche die weiße Puppe sei. Als nächstes sollten die Kinder folgende Fragen beantworten: Welches ist die nette Puppe? Und welche die Hübsche? Welche ist die Schlechte von beiden?

Bei dem Test identifizierten sich viele schwarze Kinder mit den schwarzen Puppen – im Gegensatz zu den weißen Kindern, die sich eher mit der weißen Puppe identifizierten. Trotzdem bestimmten insgesamt die meisten Kinder der Studie die weiße Puppe als die Nette und Hübsche von beiden, die Schwarze als die Schlechte – und das ungeachtet der Hautfarbe, die die Kinder selbst hatten.

Die Kinder hatten also gelernt, welche Zuschreibungen in ihrer Umgebung häufiger vorkommen als andere. Nämlich: Das Weiße eher nett und hübsch sind und dunkelhäutige Menschen eben nicht.

Eine anderes Experiment in den 60er Jahren, das vom Harvard-Psychologen Robert Rosenthal und der Grundschuldirektorin Leonore Jacobsen durchgeführt wurde, belegte, wie Vorurteile auch den Umgang von Lehrern mit Schülern prägen können.

Bei dem Experiment wurde Lehrern erzählt, dass einige Schüler kurz vor einem intellektuellen Entwicklungsschub stünden. Mit diesem Wissen unterrichteten die Lehrer acht Monate lang ihre Klassen. Als die Forscher nach den acht Monaten die Leistungen der Schüler verglichen, zeigte sich, dass die vermeintlichen Überflieger in einem IQ-Test tatsächlich besser abschnitten als noch zu Beginn der Studie. Das Krasse dabei: Die Schüler waren von vorneherein ganz willkürlich ausgewählt – keiner von ihnen hatte tatsächlich nachweisbar bessere Voraussetzungen. Allein das Verhalten der Lehrer, die davon ausgegangen waren, dass sie es mit kleinen Genies in spe zu tun hatten, hatte die Leistungssteigerung hervorgebracht.

In diesem Fall war das Vorurteil zum Vorteil der Schüler. Es ist jedoch leicht, sich vorzustellen, dass das Ganze auch umgekehrt funktioniert. Der Möglichkeiten sind offenbar keine Grenzen gesetzt.

Wie funktionieren Vorurteile?

In Prinzip bestehen Vorurteile aus Stereotypen und einer zugehörigen Interpretation. Hans Peter Erb, Professor für Sozialpsychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, erklärte das in einem Interview mit „Deutschlandfunk“ einmal so:

„Das, was wir über diese Gruppe denken, die Menschen, die der Gruppe zugehören, das nennen wir Stereotyp. Wir haben stereotype Vorstellungen. Zum Beispiel die stereotype Vorstellung, alle Deutschen sind pünktlich, die Franzosen genießen das Leben, das ist eine stereotype Vorstellung.“

Wenn man ein solches Stereotyp, sozusagen die Schablone, auf einen konkreten Menschen bezieht, entsteht ein Vorurteil. Zum Beispiel dachte die Frau, die mich beim Mittagessen mit Handy ertappt hat, möglicherweise: „Die gehört zu der Gruppe dieser jungen Menschen, die ständig nur auf ihr Smartphone starren. Das bedeutet, die ist oberflächlich/unerzogen/unkonzentriert“ (oder welche Interpretation sie auch immer mit diesem Stereotyp verknüpft hat. Klarer wird das bei Sachen wie „Der oder die ist dick, also ist er oder sie faul und undiszipliniert.“ Oder „Sie ist blond und weiblich, also ist sie dumm“. Er ist deutsch, also ist er pünktlich. Sie ist eine Frau, also ist sie zurückhaltend und reinlich. Er ist Ausländer, also ist er gefährlich.

Wir haben also das Stereotyp, die Schablone, im Kopf und rufen sie in dem Moment ab, in dem wir jemanden sehen, der unserer Meinung nach in diese Schablone hinein passt.

Warum halten sich Vorurteile so hartnäckig?

Neben der Tatsache, dass uns Vorurteile so schön Hirn-Energie sparen, haben sie noch einen anderen – vermeintlichen – Vorteil: Sie geben uns – vermeintliche – Sicherheit. Durch Vorurteile teilen wir die Menschen in Gruppen auf. Und damit wiederum können wir auch die Gruppe definieren, zu der wir unserer Meinung nach gehören. Bei dieser Gruppe fühlen wir uns dann wohl und sicher. Treffen wir auf Angehörige anderer Gruppen, sind wir schon nicht mehr so locker. Hirnforscher haben bereits durch Experimente mit Hirnscans bewiesen, dass im Kontakt mit (Gruppen)-„Fremden“ im Gehirn besonders jenes System stark aktiviert wird, das mit Furcht und Flucht zusammenhängt: die Amygdala. Bei „Gruppenmitgliedern“ fällt diese Hirnreaktion deutlich gedämpfter aus.

Dass ältere Menschen besonders schnell mit Vorurteilen bei der Hand sind, ist im übrigen auch kein Mythos. Je älter wir werden, desto schneller und vermeintlich zuverlässiger, greifen unsere Schablonen. Mit zunehmendem Alter reichen uns also immer weniger Informationen, um ein Vorurteil zu bilden. Dann sind Menschen U40 alles Rotzbengel und früher war alles besser. Im schlimmsten Fall.

Nun aber die Frage aller Fragen:

Wie kann man Vorurteile abbauen?

Leider ist das nicht so einfach. Wir haben ja wie bereits beschrieben, einige Vorteile durch Vorurteile (die Ähnlichkeit der Worte „Vorteil“ und „Vorurteil“ könnte hier nicht von Ungefähr kommen), sie machen uns das Leben überschaubar und daher in gewisser Weise angenehm – auch wenn uns vielleicht viel Gutes entgeht, weil wir gar nicht erkennen, dass das Mädchen mit dem Kopftuch beim Karaoke total abgeht, der vermeintliche blasse Nerd alias Informatiker einen Humor zum Schreien hat oder die dicke Kollegin eigentlich total viel auf dem Kasten hat und sich nur nicht traut, das zu zeigen.

Es ist nämlich auch so, dass wir uns selbst Vorurteilen automatisch fügen. Wenn uns der Lehrer behandelt als seien wir dumm, glauben wir es vielleicht bald auch selbst. Wenn unsere Eltern uns einreden, dass wir als Frau nicht selbständig auf eigenen Füßen stehen können, werden wir das vielleicht auch nie tun. Andererseits schämen wir uns vielleicht sogar, wenn wir als Frau beispielsweise nicht dem gängigen Vorurteil, dass Frauen hübsch und ordentlich sind, entsprechen. Oder dass wir als Mann nicht stark sind und auch mal weinen. Oder dass wir total unpünktlich sind, obwohl wir doch deutsch sind. Vorurteile können in unseren Köpfen auch schnell zu vermeintlichen Idealbildern werden, denen wir glauben, entsprechen zu müssen.

Denn die meisten von uns sehnen sich ein bisschen nach dieser sicherheitsstiftenden „Normalität“, mit der wir auch oft ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl verbinden.

Wenn ich „normal“ bin, dann bin ich so wie die anderen, dann gehöre ich dazu. Und ich kann zuverlässig entscheiden, wer nicht dazu gehört.

So weit die Illusion.

Was aber kann man nun tun?

Die erste Antwort – die auch mir in der tatsächlichen Situation ganz intuitiv kam – ist:

Ich kann beweisen, dass ich anders bin. Ich werde das Vorurteil widerlegen.

Es gibt zwei Dinge, die dagegen sprechen. Oder vielmehr: Ein Ding spricht dagegen, dass es funktioniert. Das andere zeigt, warum dieses Vorgehen vielleicht nicht ganz so pralle ist.

Also 1.: Diese Technik funktioniert nicht, weil Ausnahmen hier tatsächlich die Regel bestätigen.

Hier greift nämlich etwas, was in der Psychologie „Subtyping“ genannt wird. Die Leute mit dem Vorurteil schaffen einfach noch eine kleine Unter-Schublade in ihrer Schublade. Dann sind eben alle Ausländer gefährlich, außer Ali aus dem Dönerladen des Vertrauens, der immer noch ein Fladenbrot extra in die Tüte packt. Weil Ali ist nicht so wie die anderen Ausländer, der ist ausnahmsweise okay.

Oder dann ist Mona eben ein „Mannsweib“, weil die zwar ne Frau ist, aber so ganz und gar nicht so, wie man sich eine typische Frau so vorstellt.

Wir schaffen also flugs positive und negative Ausnahmen. Die ändern aber nichts daran, dass wir das Vorurteil für die Norm halten.

Zweitens: Warum diese Methode nicht gerade gut ist. Oder sagen wir: Nicht sehr solidarisch.

„Die Marieke ist so ein ‚Mädchen-Mädchen‘. So ne richtige Tussi. Ich bin da ganz anders, ich bin da eher so locker.“

„Ich hab überhaupt kein Problem damit, wenn der Ehemann der Ernährer ist. Ich bleibe gerne zu Hause beim Kind, ich finde eine richtige Mutter, macht das auch so.“

„Ich bin zwar dick, aber ich weiß wenigstens, dass das schlecht ist. Deswegen trage ich auch weite Klamotten. Ich finde das unmöglich, wenn Dicke dann so enge Kleider tragen.“

„Ja, ich bin schwul. Aber nicht so tuckig-schwul, sondern normal halt.

Du siehst: Mit dieser Taktik stellen wir uns selbst als die löbliche Ausnahme da, während wir die anderen unserer (vermeintlichen) Gruppe herabsetzen. Und damit auch, letzten Endes, uns selbst. Ich gebe ja zu, dass ich schlecht bin, aber doch immerhin weniger schlecht als die anderen, klingt auch nicht gerade triumphal.

Besser, wenn auch schwieriger:

Kontakt herstellen

Wenn Dönerladenbesitzer Ali ne coole Socke ist, vielleicht gibt es da noch mehr Mitglieder aus seiner „Gruppe“, die gar nicht so sind, wie befürchtet? Die Wahrscheinlichkeit ist groß. Vorurteile brechen am ehesten auseinander, wenn ihnen die Realität ins Gesicht schlägt und wir am eigenen Leibe erfahren, dass „die“ doch nicht „so“ sind, wie wir angenommen haben. Schwierig ist das alles eigentlich nur deswegen, weil wir – auch unbewusst – oft danach streben, die Vorurteile aufrecht zu erhalten. Weil die unsere Welt so schön angenehm kategorisieren und uns so komfortabel Halt zu geben scheinen. Ohne Vorurteile müssten wir jeden Menschen für sich genommen betrachten und unser individuelles Urteil bilden. Das kostet natürlich einiges unseres wohlbehüteten Hirnschmalz (das wir ja vielleicht noch bräuchten, um auf der Arbeit megaeffizient Mails abzufertigen, die WM-Mannschaften vor dem Turnier zu analysieren oder um unsere Unterwäsche farblich und nach Jahreszeit zu sortieren?). Aber es könnte sich auch lohnen. Vielleicht finden wir in der „feindlichen Gruppe“ ja doch ein paar coole Menschen, die unseren Horizont vielleicht sogar ein bisschen erweitern.

Aber es gibt einen noch größeren Bonus, wenn wir uns die Mühe machen:

Ohne Vorurteile leben wir auch wieder irgendwie leichter.

Denn es ist so: Wenn wir im Büro über jeden lästern, der krank ist – O-Ton:“Die hat gestern noch total gesund gewirkt“ – und dadurch ein Umfeld des Misstrauens schaffen, müssen wir uns, wenn wir vielleicht auch mal krank sind, sorgen, dass andere im Büro auch so über uns reden. Bei Vorurteilen ist es ähnlich. Je mehr Vorurteile wir aufrechterhalten, desto größer ist die Gefahr, dass wir selber mal in eines „hineintappen“. Haben die Weihnachtsplätzchen vielleicht mal besonders gut geschmeckt und wir haben zugelegt, müssen wir uns sorgen, dass wir in die „Die hat sich aber gehen lassen“-Schublade geraten. Wenn die Steppkes das Wochenende bei Oma und Opa verbringen, während wir uns genüsslich einen Städtetrip mit Freunden gönnen, müssen wir Angst haben, jemand hält uns für schlechte Eltern. Je mehr Leute aus dem Kreislauf aussteigen, desto besser dürfte die Lage für alle werden.

Ob wir jemals in einer vorurteilsfreien Gesellschaft leben werden, bevor die Menschheit ausstirbt, darf bezweifelt werden. Aber  das muss auch nicht unbedingt sein, da hier kleine Veränderungen schon einiges bewirken können. Jedes „Na und?“ auf die (hoch-intellektuelle) Feststellung „Du bist aber auch gut im Futter“ hat einen Effekt und regt zum Nachdenken an. Wenn wir über den Vorurteilen der anderen über uns stehen lernen und uns selbst die Mühe machen, andere nicht zu schnell abzuurteilen, gewinnen wir etwas, das sehr viel mehr wert ist als die vermeintliche „Sicherheit“ von Vorurteilen: Nämlich Freiheit. Und das Gefühl, dass die Welt und die Menschen, die auf ihr herumkriechen, einiges mehr zu bieten haben, als wir im Vorhinein wahrscheinlich angenommen haben.

Zum Schluss noch ein Erguss von Jean-Jaques Rousseau zum Thema:

 

„Ich ziehe es vor ein Mensch mit Widersprüchen zu sein, als ein Mensch mit Vorurteilen.“

 

Wie sind denn Deine Erfahrungen mit Vorurteilen? Hast Du vielleicht selbst mal welche bei Dir entdeckt, die sich dann als unbegründet erwiesen haben? Wurdest Du selbst mal „Opfer“ eines Vorurteils? Ich fände es total spannend, wenn Du mir davon erzählst!

 

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