Bist du ein Kolibri? – 10 Hinweise, an denen du es erkennst
„Nie bringe ich mal was zu Ende.“
„Ich weiß einfach nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll.“
„Irgendwie macht jeder sein Ding, nur ich habe nichts vorzuweisen.“
„Alle ziehen an mir vorbei und ich bekomme nichts gebacken.“
Kommt dir irgendwas davon bekannt vor? Vermutlich. Unsere Gesellschaft ist eben auf Leistung ausgelegt, auf Ziele und deren Erreichung, auf Erfolg. Ich wage die steile Behauptung, dass es fast keiner durch seine Kindheit und Jugendzeit schafft, ohne von diesem Leistungsprinzip nicht den ein oder anderen Kinnhaken einstecken zu müssen. Ich habe nicht den leisesten Dunst, ob es überhaupt möglich ist, den gesellschaftlichen Erwartungen vollständig zu entsprechen (ich vermute, eher nein). Aber der Grad, wie sehr wir uns an dieser Gesellschaftsstruktur reiben, ist bei verschiedenen Menschen einfach unterschiedlich hoch. Wer früh weiß, was er will und unermüdlich und diszipliniert auf dieses Ziel hinarbeitet, der erhält vielleicht etwas mehr Rückenwind als Menschen, deren Leben nicht so geradlinig daherkommt. Die Sache ist eben auch für alle Beteiligten einfacher.
„Kunigunde wollte schon immer Ärztin werden. Sie ist ständig am Lernen und hat sehr viel Stress, aber in einem Jahr ist sie fertig mit dem Studium“ stößt leicht auf Anerkennung. Jemand hat ein Ziel und kniet sich so richtig mit Schmackes rein, um es zu erreichen. Das ist eine Erfolgs- und Heldengeschichte wie man sie in der Gesellschaft gerne hört. Wer hart ranglotzt, dem gönnt man dann auch die Belohnung eher. Einfache Gleichung.
„Edeltraud hat gerade eine Ausbildung zur Teppichknüpferin angefangen und überlegt, später einmal eine Fliegende-Teppich-Show aufzuziehen und nebenbei Teppichknüpfkurse für Geschiedene anzubieten“ könnte hingegen eher für etwas verkrampfte Reaktionen sorgen („Aha. Mal was anderes“ oder „Na, wenns ihr Spaß macht“ sind vielleicht eher noch die verträglicheren Kommentare). Im schlimmsten Fall hat Edeltraud zuvor gerade ihr Jurastudium abgebrochen oder sich als freischaffende Künstlerin versucht. Da ist doch einfach kein roter Faden dahinter, könnte man ihr vorwerfen.
Es muss auch gar kein so bunter Lebenslauf wie bei der guten frei erfundenen Edeltraud vorliegen, um für Stirnrunzeln zu sorgen. Vielleicht hast du einfach keine Lust „sesshaft“ zu werden, obwohl du schon die magische Schallmauer zur 30 durchbrochen hast. Vielleicht hast du dein Ding einfach noch nicht gefunden, „brotlose Kunst“ studiert oder sagst solche haarsträubenden Dinge wie „Mal schauen, was kommt. Den großen Plan hab ich jetzt noch nicht“ oder „Ich lass es mal auf mich zukommen“.
Immer Ärger mit dem roten Faden
Es ist schon nachvollziehbar, dass wir es eher begrüßen, wenn wir Menschen recht schnell einschätzen können. Jemand, der immer wieder etwas anderes anfängt, seine Interessen schneller wechselt als die Socken und sich immer wieder neu erfindet, macht es anderen eher schwer, ihn einzuschätzen. Geradlinigere Leben(släufe) sind verständlicherweise angenehmer. Sind sie aber besser? Ich wage zu bezweifeln. Henry Ford sagte einmal:
Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind.
Wenn man sich in unserer Gesellschaft ein wenig umsieht, dann gewinnt man schnell den Eindruck, dass besonders Leistung, Disziplin und eine gewisse Geradlinigkeit gefragt sind. Als erfolgreich, so die landläufige Meinung, gilt immer noch eher der, der die Karriereleiter hinauf klettert oder sich einfach generell auf der Überholspur in Richtung Ziel befindet.
Die US-Bestsellerautorin Elizabeth Gilbert („Eat Pray Love“) nannte solche Menschen in ihrem berühmten Ted-Talk „Flight of the Hummingbird“ „Presslufthämmer“. Sie arbeiten unermüdlich auf ihr Ziel hin. Mit Power. Mit Leidenschaft. Wenn du dich in dieser Beschreibung nicht wieder findest, dann bedeutet das nicht, dass du nicht erfolgreich bist. Sondern eher, dass du einfach ein anderer Typ sein könntest. Gilbert nennt diesen anderen Typ „Hummingbirds“, also Kolibris. Kolibris sind nicht so zielstrebig, weniger von flammender Leidenschaft für die eine große Sache getrieben. Ihr Antrieb basiert auf etwas anderem: Auf Neugier. Und das ist in keiner Weise schlechter. Höchstens etwas weniger auf einer Linie mit der Gesellschaftsstruktur. Aber auch das ist nicht schlimm.
Woran du erkennst, dass du zu den Kolibris gehörst
Hinweise darauf, dass du eher zu den Kolibris zählst, könnten die folgenden sein:
- Du begeisterst dich schnell für etwas. Die Begeisterung lässt manchmal jedoch ebenso schnell nach.
- Wenn du nach deiner Berufung gefragt wirst, kannst du darauf keine kurze Antwort geben. Vielleicht sogar gar keine.
- Du hast viele verschiedene Interessen, die mitunter auch ganz und gar unzusammenhängend sind.
- Du kannst dich in dem Konzept der „Scanner-Persönlichkeit“ wiederfinden. (Auch wenn Kolibris und Scanner nicht dasselbe sind.)
- Du bist ziemlich neugierig.
- Der Vorwurf „Nie bringe ich mal etwas zu Ende“ ist dir nicht fremd.
- Du hattest vielleicht schon ein Mal die Befürchtung, dein Leben könnte keinen „höheren Sinn“ haben.
- Du hattest schon mal das Gefühl, dass andere an dir vorbei ziehen.
- Du kennst das Gefühl, einfach nicht richtig rein zu passen.
- Du hast keine Probleme damit, deine Werte, deine Einstellung oder deine Perspektive bei Bedarf zu überdenken oder zu ändern.
Diese Liste hat natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gleichzeitig muss nicht jeder Punkt ins Schwarze treffen. Sie ist nur ein Anhaltspunkt. Denn letzten Endes ist es auch egal inwieweit jemand „Kolibri“ ist oder nicht, das Leben ist nicht schwarz oder weiß. Wichtig ist: Auch ohne roten Faden, ohne große Berufung, ohne großes Ziel kann dein Leben erfolgreich, sinnvoll und vor allem lebenswert sein. Es gibt einfach verschiedene Herangehensweisen und keine festen Vorgaben für ein gelungenes Leben (auch wenn uns das manchmal so vorkommen kann). Jede Art zu Leben hat ihre Berechtigung und Leidenschaft ist nicht der einzige Leitstern, dem wir durchs Leben folgen können. Auch wer seiner Neugier, seinen Interessen, seinen Neigungen folgt, kann Abenteuer erleben und ein glückliches Leben führen. Es gibt einfach nicht nur den einen Weg und die eine Perspektive.
Wenn du also das nächste Mal mit dir und deinem Leben haderst, nimm dir eine Minute und überlege: Könnte ich vielleicht auch einfach ein Kolibri sein?